Chinaware – Überlegungen zum Direkteinkauf

In den letzten Monaten konnte ich viel Erfahrung mit dem Einkauf von Produkten direkt aus China sammeln. Da im Bereich DIY dieser Kanal durchaus relevant ist (sowohl in der Verfügbarkeit von Komponenten als auch im Preis), möchte ich meine Überlegungen hier für potentielle „Mittäter“ dokumentieren. Wer hierzu eine Meinung hat kann mir diese gerne per Email zukommen lassen. Das Kommentarfeld lasse ich aber inaktiv, um mir Spams und diverse Rechtsfolgen zu sparen.

Zum Einstieg aber ein Absatz zur Motivation für den Direktimport.
Ich bin durchaus ein Fan der Ansicht, man soll regionale Händler unterstützen. Das wird von mir auch gerne für regionale Produkte gemacht und für Einzelhändler, wie wirklich eine echte Beratung oder eben individuelle Dienstleistungen bieten.
Ich unterstütze allerdings keine Kistenschieber oder 08/15 Ramschläden mit Standardsortiment („ohne Extras“). Die sind bei mir schlicht und einfach gleichberechtigt mit allen anderen Vertriebswegen und in der Folge zumeist wenig attraktiv. Man könnte hier auch gleich mit dem Thema Onlinehandel versus Einzelhandel stationär an sich starten, das würde jetzt aber zu weit führen.

Da im Bereich DIY-Elektronik ohnehin fast alles aus China bzw. Asien allgemein kommt und auch die Konkurrenz vorwiegend innerhalb der asiatischen Länder lokalisiert ist, stehen aus meiner Sicht dem Direktimport wenig patriotische Gründe entgegen. Regionale Hersteller sind hier extreme Ausnahmen, der Schaden geht primär an Elektrogroßhändler wie Conrad etc. Und die sind im Sortiment teilweise gar nicht vergleichbar.

Der Vertriebsweg ist inzwischen mit dem Onlinehandel sehr gut ausgebaut, praktisch alle Plattformen bieten entsprechende Waren an. Besonders aktiv sind hier inzwischen Amazon, eBay und Aliexpress. Alle sind für Privatleute erreichbar und mehr oder weniger komfortabel. Problematisch ist hier aus meiner Sicht, das es (gerade bei Amazon) schwer erkennbar ist, aus welchem Kontinent man gerade bezieht. Ich habe definitiv kein Problem in China zu kaufen, will das aber klar erkennen und (je nach Anforderung) auch gezielt ausschließen können.

Wenn man sich aber für sowas entscheidet, sollte man sich über die Konsequenzen im klaren sein. Handler, die nicht in Europa ansässig sind, folgen primär den Anforderungen des Heimatlandes. Man kauft also im „Ausland“ ein. Der Verbraucherschutz in Europa ist beim Onlinehandel sehr umfangreich. Handel mit China entspricht eher den Gepflogenheiten im B2B-Bereich (und da ist alles Verhandlungssache).
Bei den asiatischen Kollegen bedeutet dies sehr häufig:

  • Die Produktbeschreibung ist in einer Art von Englisch oder einer Autoübersetzung ins Deutsche gehalten. Wenn man das oft genug gesehen hat, versteht man das Kauderwelsch immer besser. Dennoch hat das oft nichts mehr mit dem Produkt an sich zu tun.
  • Die Beschreibungen immer komplett in allen möglichen Plätzen lesen, also Titel, Kurztext, die einzelnen angebotenen Varianten, etc… Oft finden sich versteckt Hinweise und Einschränkungen oder es werden in den Titel (Un-)bewusst fehlleitende (manchmal falsche) Informationen gelistet.
  • Händlerkontakt ist (wenn überhaupt) in Englisch möglich. Reaktionszeiten von wenigen Stunden bis nie sind normal. Die Reaktion auf Produktfragen ist oft nichtssagend, beschwichtigend oder irrelevant.
  • Die Lieferzeiten können wenige Tage bis mehrere Monate dauern. Gerade billige Teile sind im Schnitt 4-8 Wochen unterwegs.
  • Manche Lieferungen kommen nie an (wenn auch im Verhältnis wenige),
  • Das deutsche Verbraucherrecht ist faktisch nicht durchsetzbar, wenn die Plattform die Durchsetzung nicht treibt.
  • Rechnungen sind nicht zu erwarten, kaum zu bekommen und selbst wenn man die bekommt nicht sinnvoll verwendbar (besonders gegenüber dem Finanzamt).
  • Garantie ist eine reine Verhandlungsbasis und eher nicht zu erwarten.
  • Man kauft im Ausland, also Zoll und deren Regeln. Dazu später mehr.

In der Konsequenz:

  • Rechnet mit Komplettausfall der Bestellung nach der maximalen zugestandenen Lieferzeit (Nichtlieferung).
  • Wenn das Produkt defekt ist, nutzt den Beschwerdeweg der Plattform.
    Amazon bietet hier die A-Z Garantie, die ganz gut funktioniert.
    Aliexpress hat hier einen Dispute-Prozess.
    In beiden Fällen endet man (wenn’s gut gelaufen ist) mit einer Rückerstattung des Kaufpreises, sonst mit Totalverlust.
  • Nachbesserung oder Tausch ist meist nicht möglich. Minderung eine Option, aber eher selten.
  • Bei den billigen Versandarten gibt es kein Tracking, und das dennoch vorhandene rangiert von lückenhaft über falsch bis hin zum Tracking eines anderen Produkts. Verbindlichkeit gibt es nur bei den Versandoptionen mit Tracking, dann wird es aber schnell teuer und in der Konsequenz unrentabel.
  • Was man bekommt ist ein wenig ein Überraschungsei. Von „alles perfekt über „nur Teile des Ganzen“ bis „ganz was anderes“ hatte ich schon alles.
  • Die Verpackung ist normalerweise eher mau und damit die Gefahr von Beschädigungen hoch.
  • Vieles sind absolut klar erkennbare Fälschungen, oft aber schon so gut das es nicht mehr feststellbar oder relevant ist. Verstärkt wird das Problem mit der miesen Beschreibung und den oft widersprüchlichen Photos.
  • Wichtig: Manche der gelieferten Teile entsprechen gar nicht europäischen Standards und können sogar gefährlich sein (z.B. Giftstoffe, Brandgefahr). Auch ist der Betrieb in Deutschland nicht pauschal zulässig (z.B. verwendete Funkfrequenzen oder Funkleistung).

Auf der Plusseite:

  • Natürlich der Preis. Selbst wenn es kein Original ist, sondern nur ein „guter“ Nachbau spart man sich problemlos 30-60% zum Regelpreis bei offiziellen Bezug. Porto ist z.B. bei AliExpress dazu oft vernachlässigbar oder geringfügig, gerade im Vergleich zu deutschen Tarifen.
    Mal einen Satz Dioden für 20ct in Summe zu bestellen ist kein Thema, in Deutschland schon wegen der Versandpauschalen unmöglich.
  • Die meisten Händler sind sehr bemüht dich als Kunden wirklich zufrieden zu stellen. Betrug (das Thema Plagiate mal ausgenommen) eher selten und dann meist durch die Beschwerdeprozesse der Plattform gut unter Kontrolle.
  • Einzelne Perlen und auch die in Asien angesiedelten Hersteller im Direktvertrieb stehen deutschen Standards in nichts nach. Hier ist die Auswahl der Anbieter (wie so oft) das wichtigste.
    Leider gilt gerade dieser Punkt auch für deutsche Händler. In der ganzen Zeit waren die übelsten Stresslieferanten nicht die Chinesen, sondern meine innerdeutschen Bestellungen.

Zoll:

Ha, ein tolles Thema (vor allen wenn man bei Amazon versehentlich aus China bestellt).
Die Infos sind nicht rechtsverbindlich und können auch in Teilen falsch sein. Bitte im Einzelfall selber prüfen und abklären!

Der deutsche Zoll wird im Regelfall dann aktiv, wenn der deklarierte (oder vermutete) Warenwert mit Versandkosten nicht mehr unter 22€ liegt. Dann wird 19% Einfuhrumsatzsteuer fällig.
Dazu hat der Zoll eine nette Seite.
In Deutschland wird (inoffiziell) aber erst abgerechnet, wenn die Abgaben 5€ erreichen. Damit ergibt sich hier ein „Freibetrag“ von theoretisch 26,30€.
Wenn der Einkaufswert 150€ übersteigt, kommen evtl. Zollkosten dazu. Hier bitte direkt mit dem Zoll vorher klären was es kostet, da es hier keine pauschale Regelung gibt sondern Warenklassen die Beträge definieren.
Ein guter Weg damit umzugehen ist die Bestellung aus einem innereuropäischen Warenlager (so verfügbar, z.B. Spanien, Frankreich). Dann ist die Lieferung innereuropäisch und per Definition zollfrei.

Fazit:

Wenn man grundsätzlich Zeit hat, etwas Nervenkitzel braucht und ein detektivisches Grundgespür hat und einfach nur Bastelware braucht, kann es mit Direktimport versuchen und wird zumeist gut damit laufen. Gelegentliche Fehlschüsse und Komplettausfälle sind dann zu verkraften. Wenn die einzelnen Teile aber dann teuer werden, würde ich persönlich das Risiko nicht mehr eingehen wollen.

Wer Teile schnell braucht, die Teile deutschen Qualitätsansprüchen genügen sollen und man die Verbraucherrechte wahrnehmen will oder einfach eine Rechnung für das Finanzamt braucht, sollte die Finger davon lassen. Geld ist nicht immer die Priorität, und manchmal kostet sparen einfach zu viel Geld in Folge.

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